Es ist Abend in den Bergen.
Regenprasselt auf das Dach der Hütte. Im Ofen lodert ein wärmendes Feuer. Auf
dem Herd köchelt ein schmackhafter Eintopf vor sich hin. Was gibt es in der
Situation schöneres als entspannt zu lesen. Nun, genau das habe ich getan.
Unter anderem ein kleines Buch zur Geologie Kauai's. Es heisst "Kauai's
Geologic History. A Simplified Overview". Es gibt einen guten Überblick
der Geologie Kauai's und der langen Geschichte der Inselkette. Mich hat es dazu
gebracht, für meinen Blog einen kleinen Beitrag zur Geologie Hawaii's zu
verfassen. Der Beitrag ist eine Mischung zwischen einer Zusammenfassung des
Buchs und meinem Vorwissen. Er ist also in keinster Weise eine
wissenschaftliche Abhandlung. Er ist somit auch für den Teil der primären Zielgruppe
meines Blogs lesbar, die keine Mittelschule besucht.
Hawaii, älter als die Dinosaurier?
Wie alt ist eigentlich Hawaii?
Eine scheinbar einfache Frage. Nur welches Hawaii ist gemeint? Ist es die Insel
Hawaii, d.h. die grösste der Inseln ganz im Süden der Kette. Ist es die
Inselkette an sich, also die Insel Kauai? Die Inselkette ist noch länger und
endet mit dem Kure-Atoll über 2500 Kilometer nordwestlich der Insel Hawaii.
Überhaupt, was hat eine Insel wie Hawaii mit vier aktiven oder schlafenden
Vulkanen mit einem flachen Korallenatoll zu tun, das nur wenige Meter über das
Meer heraus ragt? Die Antwort liegt unter der Oberfläche des Ozeans, ja sie
liegt unterhalb des Bodens des Ozeans, tief im Innern der Erde. Und sie beginnt
nicht vor 30 Millionen Jahre mit Kure. Der Mechanismus, der die Inseln der
Hawaii-Kette geschaffen hat und immer noch schafft war schon aktiv, als noch
die Dinosaurier munter auf der Erde herumwanderten. Möglicherweise war er schon
da, bevor der erste Dinosaurier das Licht der Erde erblickte.
Die Oberfläche unseres Planeten
besteht aus Dutzenden grossen und kleineren Gesteinsplatten. Die Platten
umfassen sowohl das Festland, wie die Ozeane. Die Platten schwimmen, grossen Schiffen
gleich, auf einem weltumspannenden Ozean aus flüssigem Gestein. Dieses
Magma-Meer - Magma ist die Bezeichnung für flüssiges Gestein das unter der
Erdoberfläche ist - weist Strömungen auf. Aus dem Erdinnern steigt heisse Magma
auf, fliesst vom Aufstiegspunkt weg und sinkt wieder in die tiefen Regionen des
Erdmantels ab, wenn sie sich etwas ausgekühlt hat. Die Bewegung ist durchaus
mit den bekannten Meeresströmungen vergleichbar. Sie ist um vieles langsamer
als diese aber umso mächtiger und kräftiger. Diese glühend heisse
Magma-Strömung reisst die Platten mit sich. Doch die Strömung ist nicht überall
gleich stark, verläuft nicht überall in dieselbe Richtung. Die Folge ist, dass
die Platten an einigen Orten auf der Erde aneinander vorbeischrammen, was zu
heftigen Erdbeben führen kann. Kalifornien ist hier ein Beispiel. An anderen
Orten driften die Platten auseinander, Ozeane entstehen und in die Spalte
zwischen den Platten dringt Magma ein. Der mittelatlantische Rücken ist ein
Beispiel hierfür mir den Vulkanen von Island. Wieder an anderen Orten werden
zwei Platten gegeneinander gedrückt. Sind beides dicke Festlandplatten so
überschieben sich diese und lassen gewaltige Gebirge in die Höhe wachsen, wie
etwa den Himalaya. Trifft eine ozeanische Platte auf eine Festlandplatte, so
wird die ozeanische Platte vom schieren Gewicht der Festlandplatte in die
Tiefen des Erdmantels hinunter gedrückt. Dort löst sie sich langsam auf und
wird schliesslich eins mit dem Magma des Mantels. Auch bei diesem Prozess
entstehen riesige Gebirgsketten mit zahlreichen Vulkanen. Ein Beispiel hierfür
sind die Anden. Wenn zwei ozeanische Platten aufeinandertreffen, wir auch eine
unter die andere geschoben. Hier entstehen vulkanreiche Inselbögen und vor
diesen Bögen tiefe Meeresgräben. Ein Beispiel hierfür sind die Aleuten und die
Kurilen im Norden des Pazifiks. Dieser ewige Kreislauf der Platten ist Ursprung
des meisten Festlands das wir kennen, egal ob grosser Kontinent oder kleine
Insel. Aber mit diesem Mechanismus allein lassen sich die Hawaii-Inseln nicht
erklären.
Die Vulkane der Hawaii-Inseln,
einige der massereichsten Vulkane der Erde liegen an einem Ort, an dem sie
eigentlich gar nicht sein dürften. Sie sind mitten auf der pazifischen Platte.
Und in der Mitte von Platten, und die pazifische Platte ist die grösste Platte
überhaupt, sollte es eigentlich keine Vulkane geben. Nun, dem ist nicht so. Was
ist also dann der Ursprung dieser paradiesischen Inseln?
Die etwas metaphorische Antwort
lautet: Das Feuer der Hölle hat dieses Paradies erschaffen. Nun, etwas profaner
und wissenschaftlicher ausgedrückt, ein sogenannter Plume ist der Ursprung der
Inseln. Ein Plume, das ist ein Strom extremheisser Magma, die direkt aus den
oberen Bereichen des Erdkerns an die Erdoberfläche durchbricht. Ein solcher
Plume ist lokal begrenzt und hat keine grosse Ausdehnung. Man spricht auch von
einem Hotspot. Er solcher kann über Millionen von Jahren am selben Ort bleiben.
Er spielt auch keine grosse Rolle bei der Bewegung der Platten. Plumes, es gibt
einige davon, finden sich meist weit weg von den Plattenrändern. Doch zurück zu
unserem Plume inmitten des Pazifiks. Es gibt ihn schon lange, mindestens 90
Millionen Jahre lang. Woher wir das wissen? Nun, der Hotspot ist stabil, immer
am selben Ort. Gleichzeitig wird die pazifische Platte mit einer
Geschwindigkeit von etwa 8 cm pro Jahr über den Plume nach West-Nordwest
geschoben. 8 cm pro Jahr, das tönt nach nichts. Doch in einer Million Jahre
sind das 80 Kilometer. Über dem Hotspot entstehen auf der pazifischen Platte
neue Inseln. Diese werden höher und höher. Doch gleichzeitig werden sie von der
Platte immer weiter vom Hotspot entfernt. irgendeinmal sind sie so weit weg,
dass die die Verbindung zum Plume abreist. Der Vulkanismus erlischt. Die Inseln
entfernen sich immer weiter vom Hotspot und verschwinden schliesslich gänzlich
im Ozean. Was dabei entstand, ist eine
lange Kette von Inseln, die sich von Hawaii bis zu einem untermeerischen Berg
vor den Kurilen im äussersten Osten Sibiriens zieht. Und eben dieser Berg war
vor über 85 Millionen Jahren ein aktiver Vulkan. Woher man das weiss. Nun, das
lässt sich am Zerfall von radioaktiven Isotopen messen, aber das würde hier zu
weit führen. Wahrscheinlich ist aber der Hotspot der heute unter Hawaii liegt
schon länger aktive, denn die pazifische Platte taucht vor den Kurilen unter
die eurasische Platte. Die älteren Vulkane befinden sich also bereits irgendwo
im Erdmantel und sind teilweise schon wieder zu flüssigem Gestein geworden. Das
tönt jetzt alles stimmig und logisch. Aber es gibt doch ein paar Fragezeichen.
Zum eine ist da ein Knick in der Inselkette. Das jüngere Ende der Kette ist
west-nordwestlich ausgerichtet. Das ältere Ende verläuft praktisch schurgerade
nach Norden. Der Knick fand etwa vor 43 Millionen Jahren statt. Was damals
geschah, wissen wir nicht. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die pazifische
Platte plötzlich ihre Bewegungsrichtung gewechselt hat. So ein einschneidendes
Ereignis hätte überall um den Pazifik Spuren hinterlassen. Also war der Plume
in der fernen Vergangenheit wohl doch nicht so stationär wie er es heute ist.
Und es gibt noch eine zweite Entwicklung. Der Plume wird offenbar stärker. Es
ist heut möglich, zu berechnen, wie viel Magam der Plume durchschnittlich pro
Jahr an die Erdoberfläche gefördert hat. Es ist in den letzten 20 Millionen
Jahren immer mehr geworden. Die Inseln wurden grösser, höher und bestanden
länger. So viel Magma wie in den beiden letzten Millionen Jahren wurde in der
bekannten beinahe 90 Millionen Jahre alten Geschichte der Hawaii-Inseln noch
nie gefördert.
Wie eine Hawaii-Insel entsteht
Wir befinden uns in 6000 Meter.
Vor uns liegt der jungfräulich Boden des pazifischen Ozeans. Wir sehen den
natürlich nicht, denn um uns herum ist es stockdunkel. In den letzten 100'000
JAhren hat sich unser Aufenthaltsort mit der pazifischen Platte in den Bereich
des Plume verschoben. Wir sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort. den genau
jetzt durchbricht der Plume den Ozeanboden. Wir sehen das rote Magma, das sich
auf dem Ozeanboden verteilt. Nach einigen Stunden, Tagen oder Wochen ist der
Ausbruch vorbei. Es ist wieder tiefstes Schwarz um uns herum. In den Tiefen des
Pazifik aber ist ein kleiner noch unscheinbarer Hügel entstanden. Was wir
gesehen haben, wird sich in den nächsten Jahrzehnten und Jahrtausenden
regelmässig wiederholen. Der Hügel wird zu einem Berg ja zu einem Gebirge und
strebt langsam aber sicher der Oberfläche des Ozeans entgegen. Sie wachsen
schnell, die hawaiianischen Vulkane, nicht in menschlichen Zeiträumen aber in
geologischen. Nach 300'000 bis 500'000 Jahren durchbricht der Vulkan erstmals
die Oberfläche des Ozeans. Es braucht einige Ausbrüche, bis sich die neue Insel
stabilisiert hat und nicht gleich wieder Opfer der hohen Wellen des Pazifiks
wird. Dieses schnelle Wachstum geht auf Kosten der Stabilität. Ich werde noch
darauf zurückkommen. Aber zuerst erfreuen wir uns der neuen, noch
vegetationslosen Insel, die vor uns aufgetaucht ist. Die Ausbrüche gehen
weiter, die Insel wächst in die Höhe. Vulkane, die nahe beieinander liegen
wachsen zu einer Insel zusammen. So besteht die Insel Hawaii aus nicht weniger
als fünf Vulkanen. Ein sechster ist im
Westen der Insel bereits wieder im Ozean verschwunden. südlich der Insel wächst
bereits ein neuer Heran, der Loihi, der sich wohl einmal mit Hawaii vereinigen
wird. Doch zurück zu unserem Vulkan. Der bricht in regelmässigen Abständen aus
und lässt die Insel weiter in die Höhe wachsen. Mit den Hawaii-Vulkanen ist es
wie mit Eisbergen, der grösste Teil der Masse liegt unter dem Meer. Bei der
Insel Hawaii sind es etwa 95%, bei Kauai gar gegen 99%. Ein Grund ist natürlich,
dass die Inseln von unten her aufgebaut sind, also eine kegelartige Form
aufweisen. Aber es gibt noch einen zweiten Effekt. Die Vulkane haben ein
grosses Gewicht. Dieses drückt auf die relativ dünne pazifische Platte. Diese
wird durch das schiere Gewicht der Vulkane nach unten gedrückt. Je mehr unser
Vulkan in die Höhe wächst, desto mehr sinkt die Insel gleichzeitig in die Tiefe
ab. Für den Moment wird aber noch genügend Magma ausgeworfen, so dass die Insel
weiter wachsen kann. Während die Insel grösser und grösser wird, wandert sie
über den Hotspot immer weiter in westlich-nordwestlicher Richtung. Sie verlässt
langsam den Bereich des Hotspots. Die Verbindungen zur Plume werden kleiner. Es
tritt weniger Magma an die Oberfläche. Die Insel hört auf zu wachsen sie reicht
nun bis in eine Höhe von 4000 Meter. Seit wir den ersten Lichtschimmer in den
Tiefen des Ozeans gesehen haben, sind gerade einmal 1,5 Millionen Jahre
vergangen.
Wie eine Insel wieder verschwindet
Noch ist der Vulkan nicht
gänzlich erloschen. Nach wie vor gibt es kleinere Ausbrüche. Dies kann noch
eine geraume Zeit lang dauern. Auf Kauai fand der letzte Ausbruch vor etwa
150'000 Jahren statt, also fünf Millionen Jahre nachdem die Insel den Pazifik
durchbrach. In dem Moment indem der Kontakt zum Plume abreisst, kann es tief
unter einer Insel noch sehr grosse Magmakammern haben, die sich dann über einen
sehr langen Zeitraum weiter entleeren. Aber diese Ausbrüche sind nur noch ein
schwacher Abklatsch der grossen Ausbrüche, als die Insel noch wuchs. Und
irgendeinmal sind auch diese Ausbrüche vorbei. Das Gewicht der Insel hat dazu
geführt, dass die pazifische Platte immer weiter eingedellt wurde. So ist Kauai
in den letzen vier Millionen Jahren um gut 1000 Meter in den Pazifik
abgesunken. Die alte Küstenlinie liegt also bereits wieder tief im Meer. Woher
man das weiss? Nun, die Hangneigung derjenigen Inselteile, die über dem
Meeresspiel entstanden ist flacher als diejenige des Teils der Insel, der
untermeerisch entstanden ist. Doch auch andere Kräfte setzen der Insel zu. Die
Insel ist schnell gewachsen, deshalb ist sie nicht sonderlich stabil. Hinzu
kommen RIsse, Spalten und Schwachstellen, die im Laufe der Zeit grösser werden.
Es kann zu Rutschungen gigantischen Ausmasses kommen. So fehlt z.B. ein grosser
Teil der nördlichen Landmasse der Insel Molokai. Dieser ist vor geraumer Zeit
in einem katastrophalen Ereignis in den Pazifik abgerutscht. die Trümmer finden
sich dutzende Kilometer vor der heutigen Küste der Insel. Die Rutschung muss
einen Tsunami ausgelöst haben, der alles in den Schatten stellt, was wir bisher
gesehen haben. Wasser trägt das seine dazu bei, dass die Inseln an Masse
verlieren. Regenwasser führt zur kontinuierlichen Erosion der Inseln.
Insbesondere im Nordosten, dort wo die Passatwinde auf die Inseln treffen. Es
entstehen steile, tiefe V-Täler. Beim grössten Tal auf den Inseln, dem
Waimea-Canyon auf Kauai, war aber mehr im Spiel als nur Wasser. Offenbar gab es
in der Frühzeit Kauai's eine heftige Rutschung. Nicht einer so katastrophalen
wie auf Molokai, aber doch einer solchen, die dazu geführt hat, dass der
Westteil der Insel um mehrere hundert Meter absackte. Da sie damals noch in der
Wachstumsphase war, haben die nachfliesenden Magmen mit der Zeit den Schaden
ausgeglichen. Was aber blieb, war eine ausgeprägte Störung dort, wo die alten
Laven von vor der Rutschung auf die neuen Laven treffen. Und genau an dieser
Schwachstelle entstand der Waimea Canyon. Nebst dem Wasser hat auch die in der
feuchten Umgebung üppig gedeihende Vegetation eine stark errosive Wirkung. Die
Wurzeln sprengen das Gestein und lockern den Boden, so dass das Wasser leichtes
Spiel hat. Die Insel wird niedriger und irgendeinmal ist sie nicht mehr hoch
genug, um die Passartwinde zum abregnen zu bringen. Es wird trockener, die
Vegetation geht zurück. Eine andere Gewalt nagt aber weiter unnachgiebig an den
Fundamenten der Insel. Es ist der Pazifik selbst. Im Winter treffen auf die
Nordwestküste Kauai's regelmässig Wellen mit einer Höhe von acht bis zehn
Metern. Sie tragen die Insel weiter an. Und doch, in all diesem Niedergang
entsteht etwas Neues: Korallen. Die ersten haben sich angesiedelt kaum war die
Insel aus den Fluten des Pazifiks aufgetaucht. Die stetigen Lavaflüsse ins Meer
hatten ihr Wachstum behindert. Nun, nachdem die Vulkane erloschen sind,
gedeihen die Korallen prächtig in den warmen Wassern des Pazifik. Zwar sinkt
die Insel noch immer weiter ab, aber die Korallen können problemlos Schritt halten. Schlisslich haben Wellen und
Regen auch den letzten Überrest der ehemals stolzen Insel abgetragen. Seitdem
sie den Ozean durchbrochen hat, sind mehr als zehn Millionen Jahre vergangen.
Zurück bleibt ein Atoll, eine runde Struktur von Korallen, die an einigen
Stellen einige wenige Meter über den Meeresspiel hinaus ragt. Die Insel wandert
über Jahrmillionen weiter in Richtung West-Nordwest. Dabei sinkt die Basis
immer weiter ab. Jetzt ist nicht mehr das Gewicht des immer noch beachtlichen
Vulkanrumpfs dafür verantwortlich. Hier wurde ein Gleichgewicht erreicht. Der Grund
ist ein anderer. Da sich die pazifische Platte unter die Eurasische schiebt,
wird das Meer immer tiefer, je näher es den Kurilen kommt. Das ist noch nicht
weiter schlimm, denn das Absinken ist ein sehr gemächliches, die Korallen
können das problemlos kompensieren. Doch eines Tages ist das vorbei. Die
Überreste der Insel sind weit nach Norden gedriftet. Hier ist das Wasser zu
kalt für die Korallen. Die wachsen nicht mehr. Das Atoll kann den Wellen nicht
mehr standhalten und verschwindet, während der Inselrumpf von der pazifischen
Platte immer weiter in die Tiefe gezogen wird.