Die beiden ersten Tage auf Hawaii sollte man, bei aller Insel-Romantik, doch eher gemächlich angehen. Irgendeinmal meldet sich unweigerlich der Jetlag. Plötzlich ist eine bleierne Müdigkeit da, zu einer völlig ungewohnten Zeit. Mitten in der Nacht liegt man unvermittelt wach im Bett und kann nicht mehr Einschlafen. Und schliesslich gerät auch die Verdauung kurzzeitig aus dem Trott. Die ersten beiden Tage eine Hawaii-Urlaubs sollen also dazu dienen, den Körper auf die richtige Zeit einzustellen. Konkret heisst das: Viel draussen an der Sonne sein, viel Bewegung, Schlafen nur bei Nacht und nicht zu schwer essen.
Nun, eigentlich begann alles recht vielversprechend. Am ersten Abend fühlte ich mich nicht allzu müde. Ich ging erst gegen halb neun Schlafen. Wer das jetzt früh findet, der soll bedenken, dass dies halb acht Uhr morgens mitteleuropäischer Zeit entspricht. Wie erwartet klappte es mit dem Durchschlafen nicht. Ich erwachte öfters und um halb vier war ich dann überhaupt nicht mehr müde. Ich verfolgte im Live-Ticker die Streethockeyspiele in der Schweiz. Danach gelang es mir, noch mal für zwei Stunden zu schlafen.
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Im Mahagoni-Hain |
Mein ursprünglicher Plan für Samstag war der Power Line Trail. Das ist ein Weg, der von Princeville quer durch die Insel nach Süden führt. Landschaftlich soll er sehr interessant sein. Nun, es war ein Weg. Die jüngsten, nur wenige Tage alten Rezensionen im Internet waren klar. Der Weg ist hoffnungslos überwachsen und nicht mehr zu begehen. Ich brauchte also einen Plan B, denn etwas Bewegung wollte ich auf alle Fälle. Ich entschied mich für eine Art Wanderung, die ich schon vor zwei Jahren gemacht hatte. Der Wai Koa Loop Trail ist ein etwa sechs Kilometer langer Rundweg auf den Ländereien der Wai Koa Plantage. Auf dieser Plantage wird vor allem Mahagoni angebaut. Es ist die grösste Mahagoni Plantage der USA und eine der grössten der Welt. Der Weg verläuft während langen Strecken durch den Wald. Er ist feucht, an viele Stellen sogar sumpfig. Deshalb ist der Loop Trail etwas mehr als ein Spaziergang aber doch keine wirkliche Wanderung. Dort wo die Wegschlaufe am weitesten vom Einstieg entfern ist, verläuft der Weg über mehr oder weniger offenes, savannenartiges Gelände. Hier bietet sich ein schöner Ausblick auf die Berge Kauai‘s.
Nach rund 90 Minuten war ich wieder am Ausgangspunkt. Meine vormals schwarzen
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Fischteich auf der Wai Koa Plantage |
Gummistiefel hatten die brau-rötliche Färbung der Erde Kauai‘s angenommen. Ich spritze sie mit einem Schlauch ab und stellte sie vor meinem Wagen an die heisse hawaiianische Sonne. Gleich neben dem Parkplatz fand ein Farmers Markt statt. Der ist vergleichbar mit einem Wochenmarkt auf dem Dorf in der Schweiz. Die Stände sind kleiner, da es hier wohl nur wenige Zwischenhändler gibt. Die meisten der Verkäufer sind also die Produzenten oder Angestellte der Produzenten. Zwei Leute unterhalten die Marktbesucher mit Gitarrengeklimper. Der Markt ist nicht gross, vielleicht vierzig Meter lang, bloss zwei Reihen von Ständen. Einer bietet, vakuumiert und mit Eiswürfeln bedeckt, Biofleisch aus eigener Produktion an. An zwei Ständen gibt es selber gemachte Kosmetika. An einem werden Kräutermischungen und Tees verkauft. Andernorts können selbst gemachte Pastasaucen erworben werden. Einer verkauft Ananas-Eis und eine Frau bietet selbst gebackenen Kuchen an. An den meisten Ständen gibt es aber Früchte und Gemüse zu kaufen. Mehrere Sorten Avocados stehen beinahe Überall im Angebot, ebenso Orangen, Mandarinen und Grapefruits. Alles frisch geerntet. Bananen in allen Grössen, verschiedene Sorten Mangos, reife Sternfrüchte und natürlich Ananas runden das Bild ab. Ich kaufe mir ein paar Apfelbananen, zwei kleine Mangos, zwei Sternfüchte, eine grosse Orange, eine Tüte Rambutan, eine Flasche Hibiskus-Limonade und eine Tüte mit selbst gemachten Frühstücksflocken. Ich kehre nach gut 20 Minuten zu meinem Wagen zurück. Die Stiefel sind schon trocken, aussen wie innen. Nach einem Stopp im Foodland von Princeville bin ich gegen 14 Uhr zurück in der SeaLounge. Und dann schlägt er erbarmungslos zu, der Jetlag. Aus dem Nicht befällt mich eine bleierne Müdigkeit. Doch ich darf jetzt nicht einschlafen, denn dann würde sich mein Schlafe-Wach-Rhythmus nicht auf die lokale Zeit einstellen. Ich esse, lese und trinke, immer gegen den Schlaf ankämpfend. Irgendwie überstehe ich den Nachmittag ohne einzuschlafen. Um 18 Uhr, die Sonne ist eben untergegangen, aber es ist noch hell, kapituliere ich. Ich lege mich schlafen.
Nun, im Nachhinein war das wohl der richtige Zeitpunkt. Ich erwachte einmal kurz vor Mitternacht uns einmal so um drei Uhr, konnte aber rasch wieder einschlafen. Um sechs weckten mich die Wellen. Die SeaLounge liegt gut 50 Meter über einer langgezogenen Bucht. Das Rauschen der Wellen ist angenehm, es erinnert an das Rauschen der Bäche und Wasserfälle im Gebirge. Irgendwie ist es auch einschläfernd. Oder aufweckend, wenn es etwas heftiger rauscht als normal. Nach einer halben Stunde und einem Blick auf die Abstimmungsresultate in der Schweiz schlief ich erneut ein. Um acht, nach über 13 Stunden Schlaf, stand ich ausgeschlafen auf. Ich denke, ich habe den Jetlag mehr oder weniger überwunden.
Bewegung, stand auch am zweiten Tag in Princeville auf dem Program. Wandern hinüber nach
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Unteres Hanalei Tal |
Hanalei war angesagt. Nur in den USA ist das leichter gesagt als getan. Princeville ist ein eher nobles Ressort mit zig Golfplätzen. Hanalei hat eine Traumbucht. Hinter dem Ort ragen grüne Berge in die Höhe. Hanalei ist der Inbegriff eines tropischen Paradies. Es war auch immer wieder Drehort für Filme. Princeville und Hanalei liegen nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Also müsste es hier doch einen tollen Wanderweg geben. Von Princeville, das etwas höher liegt, hinunter an den Pazifik. Aber weit gefehlt. Das ist europäisches Denken. Hawaii, das ist trotz allem immer noch die USA. Wer zu Fuss von Princeville nach Hanalei will - wer kommt schon auf eine so bescheuerte Idee - kann das gerne tun. Er muss einfach der Hauptstrasse folgen. Einen Gehsteig sucht der Wanderbegeisterte vergebens. Der Strassenrand ist schmal, rasch beginnt die dichte, grüne Vegetation. Besonders breit ist die Strasse auch nicht. Zwei amerikanisch-breite Fahrzeuge können kreuzen. Ist da noch ein Fussgänger am Rand, wird es aber langsam eng. Von Princeville aus führt die Strasse in einer grossen Linkskurve, der überwachsenen Klippe entlang hinunter zum Hanalei River. Über den kleinen Fluss führt eine einspurige Brücke. Es ist eine
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Brücke über den Hanalei |
stabile Metallkonstruktion. Als Belag dienen Holzbohlen. Diese Konstruktionsweise macht durchaus Sinn. Denn der träge dahinfliessende Fluss hat es in sich. Bei Starkniederschlägen, und die gibt es hier zur Genüge, kann er rasch anschwellen. Dabei kann er auch mal das Brückenniveau erreichen. So geschieht es auch mit schöner Regelmässigkeit, dass Hanalei vom Rest der Insel auf dem Landweg nicht mehr zu erreichen ist. Natürlich geht nicht gleich jedes Mal die Brücke den Bach runter. Aber die Strasse wird recht oft gesperrt. Denn nicht nur die Brücke ist eine Gefahr. Bei heftigem Regen kann es entlang der Strasse auch zu Erdrutschen kommen.
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Taro-Feld |
Nun, heute war es am Vormittag schön, heiss und trocken. Gegen Mittag bildeten sich wie üblich über den Bergen im Inselzentrum erste Wolken. Diese dehnten sich langsam gegen Norden aus. So lag dann die Hanalei Bucht nicht mehr unter stahlblauem Himmel als ich kurz nach Mittag dort eintraf. Zuvor hatte ich noch einen Abstecher hinein ins Hanalei Valley unternommen. Hier wird Taro angebaut. Es ist eines der Grundnahrungsmittel der Inseln. Die ersten Siedler brachten die Pflanze aus ihrer polynesischen Heimat mit. Die Knollen und teilweise auch die Blätter werden gekocht und gegessen. Der Kochvorgang ist nötig. In roher Form enthält die Pflanze viel Oxalsäure, ist also leicht toxisch. Taro-Pflanzen benötigen viel Wasser, deshalb sind die flachen Gebiete beidseits der hawaiianischen Flüsse das ideale Anbaugebiet.
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Hanalei Pier |
Zurück zur Hanalei Bucht. Diese ist halbmondförmig gegen Norden ausgerichtet. Obschon das Wetter nicht ganz optimal war, hatte es eine beachtliche Menge an Leuten, die sich aber recht gut verteilten. Ich ging zur Pier nahe am nordöstlichen Ende der Bucht. Leider war die Tageszeit nicht ideal um Fotos zu machen. Die Bucht lag im durch die Wolken diffusen Gegenlicht. Die Aufnahmen gelangen deshalb auch eher suboptimal. Ich machte mich auf den Rückweg entlang der Hauptstrasse. Ohne überfahren zu werden gelangte ich nach Princeville.
Morgen wechsle ich den Standort. Von etwa 50 Meter über Meer geht es auf gut 1000. Von einer luxuriösen Ferienwohnung mit allen Extras gehts in eine einfache Hütte. Einige meiner Leser müssen jetzt sehr stark sein. Denn das Folgende dürfte sie erschrecken, ja könnte den einen oder anderen gar in den Wahnsinn treiben. Im Koke‘e Pnrovincial Park gibt es kein Internet, keinen Empfang für Smartphones und kein Fernsehen. Es wird also einen Moment dauern, bis ich den Blog weiterführe. Am Freitag werde ich aus dem Funkloch auftauchen und weiter an einem Blog schreiben, den eh keiner liest.
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