Freitag, 30. November 2018

Zur Geologie Hawaii's


Es ist Abend in den Bergen. Regenprasselt auf das Dach der Hütte. Im Ofen lodert ein wärmendes Feuer. Auf dem Herd köchelt ein schmackhafter Eintopf vor sich hin. Was gibt es in der Situation schöneres als entspannt zu lesen. Nun, genau das habe ich getan. Unter anderem ein kleines Buch zur Geologie Kauai's. Es heisst "Kauai's Geologic History. A Simplified Overview". Es gibt einen guten Überblick der Geologie Kauai's und der langen Geschichte der Inselkette. Mich hat es dazu gebracht, für meinen Blog einen kleinen Beitrag zur Geologie Hawaii's zu verfassen. Der Beitrag ist eine Mischung zwischen einer Zusammenfassung des Buchs und meinem Vorwissen. Er ist also in keinster Weise eine wissenschaftliche Abhandlung. Er ist somit auch für den Teil der primären Zielgruppe meines Blogs lesbar, die keine Mittelschule besucht.

Hawaii, älter als die Dinosaurier?

Wie alt ist eigentlich Hawaii? Eine scheinbar einfache Frage. Nur welches Hawaii ist gemeint? Ist es die Insel Hawaii, d.h. die grösste der Inseln ganz im Süden der Kette. Ist es die Inselkette an sich, also die Insel Kauai? Die Inselkette ist noch länger und endet mit dem Kure-Atoll über 2500 Kilometer nordwestlich der Insel Hawaii. Überhaupt, was hat eine Insel wie Hawaii mit vier aktiven oder schlafenden Vulkanen mit einem flachen Korallenatoll zu tun, das nur wenige Meter über das Meer heraus ragt? Die Antwort liegt unter der Oberfläche des Ozeans, ja sie liegt unterhalb des Bodens des Ozeans, tief im Innern der Erde. Und sie beginnt nicht vor 30 Millionen Jahre mit Kure. Der Mechanismus, der die Inseln der Hawaii-Kette geschaffen hat und immer noch schafft war schon aktiv, als noch die Dinosaurier munter auf der Erde herumwanderten. Möglicherweise war er schon da, bevor der erste Dinosaurier das Licht der Erde erblickte.

Die Oberfläche unseres Planeten besteht aus Dutzenden grossen und kleineren Gesteinsplatten. Die Platten umfassen sowohl das Festland, wie die Ozeane. Die Platten schwimmen, grossen Schiffen gleich, auf einem weltumspannenden Ozean aus flüssigem Gestein. Dieses Magma-Meer - Magma ist die Bezeichnung für flüssiges Gestein das unter der Erdoberfläche ist - weist Strömungen auf. Aus dem Erdinnern steigt heisse Magma auf, fliesst vom Aufstiegspunkt weg und sinkt wieder in die tiefen Regionen des Erdmantels ab, wenn sie sich etwas ausgekühlt hat. Die Bewegung ist durchaus mit den bekannten Meeresströmungen vergleichbar. Sie ist um vieles langsamer als diese aber umso mächtiger und kräftiger. Diese glühend heisse Magma-Strömung reisst die Platten mit sich. Doch die Strömung ist nicht überall gleich stark, verläuft nicht überall in dieselbe Richtung. Die Folge ist, dass die Platten an einigen Orten auf der Erde aneinander vorbeischrammen, was zu heftigen Erdbeben führen kann. Kalifornien ist hier ein Beispiel. An anderen Orten driften die Platten auseinander, Ozeane entstehen und in die Spalte zwischen den Platten dringt Magma ein. Der mittelatlantische Rücken ist ein Beispiel hierfür mir den Vulkanen von Island. Wieder an anderen Orten werden zwei Platten gegeneinander gedrückt. Sind beides dicke Festlandplatten so überschieben sich diese und lassen gewaltige Gebirge in die Höhe wachsen, wie etwa den Himalaya. Trifft eine ozeanische Platte auf eine Festlandplatte, so wird die ozeanische Platte vom schieren Gewicht der Festlandplatte in die Tiefen des Erdmantels hinunter gedrückt. Dort löst sie sich langsam auf und wird schliesslich eins mit dem Magma des Mantels. Auch bei diesem Prozess entstehen riesige Gebirgsketten mit zahlreichen Vulkanen. Ein Beispiel hierfür sind die Anden. Wenn zwei ozeanische Platten aufeinandertreffen, wir auch eine unter die andere geschoben. Hier entstehen vulkanreiche Inselbögen und vor diesen Bögen tiefe Meeresgräben. Ein Beispiel hierfür sind die Aleuten und die Kurilen im Norden des Pazifiks. Dieser ewige Kreislauf der Platten ist Ursprung des meisten Festlands das wir kennen, egal ob grosser Kontinent oder kleine Insel. Aber mit diesem Mechanismus allein lassen sich die Hawaii-Inseln nicht erklären.

Die Vulkane der Hawaii-Inseln, einige der massereichsten Vulkane der Erde liegen an einem Ort, an dem sie eigentlich gar nicht sein dürften. Sie sind mitten auf der pazifischen Platte. Und in der Mitte von Platten, und die pazifische Platte ist die grösste Platte überhaupt, sollte es eigentlich keine Vulkane geben. Nun, dem ist nicht so. Was ist also dann der Ursprung dieser paradiesischen Inseln?

Die etwas metaphorische Antwort lautet: Das Feuer der Hölle hat dieses Paradies erschaffen. Nun, etwas profaner und wissenschaftlicher ausgedrückt, ein sogenannter Plume ist der Ursprung der Inseln. Ein Plume, das ist ein Strom extremheisser Magma, die direkt aus den oberen Bereichen des Erdkerns an die Erdoberfläche durchbricht. Ein solcher Plume ist lokal begrenzt und hat keine grosse Ausdehnung. Man spricht auch von einem Hotspot. Er solcher kann über Millionen von Jahren am selben Ort bleiben. Er spielt auch keine grosse Rolle bei der Bewegung der Platten. Plumes, es gibt einige davon, finden sich meist weit weg von den Plattenrändern. Doch zurück zu unserem Plume inmitten des Pazifiks. Es gibt ihn schon lange, mindestens 90 Millionen Jahre lang. Woher wir das wissen? Nun, der Hotspot ist stabil, immer am selben Ort. Gleichzeitig wird die pazifische Platte mit einer Geschwindigkeit von etwa 8 cm pro Jahr über den Plume nach West-Nordwest geschoben. 8 cm pro Jahr, das tönt nach nichts. Doch in einer Million Jahre sind das 80 Kilometer. Über dem Hotspot entstehen auf der pazifischen Platte neue Inseln. Diese werden höher und höher. Doch gleichzeitig werden sie von der Platte immer weiter vom Hotspot entfernt. irgendeinmal sind sie so weit weg, dass die die Verbindung zum Plume abreist. Der Vulkanismus erlischt. Die Inseln entfernen sich immer weiter vom Hotspot und verschwinden schliesslich gänzlich im Ozean. Was dabei entstand,  ist eine lange Kette von Inseln, die sich von Hawaii bis zu einem untermeerischen Berg vor den Kurilen im äussersten Osten Sibiriens zieht. Und eben dieser Berg war vor über 85 Millionen Jahren ein aktiver Vulkan. Woher man das weiss. Nun, das lässt sich am Zerfall von radioaktiven Isotopen messen, aber das würde hier zu weit führen. Wahrscheinlich ist aber der Hotspot der heute unter Hawaii liegt schon länger aktive, denn die pazifische Platte taucht vor den Kurilen unter die eurasische Platte. Die älteren Vulkane befinden sich also bereits irgendwo im Erdmantel und sind teilweise schon wieder zu flüssigem Gestein geworden. Das tönt jetzt alles stimmig und logisch. Aber es gibt doch ein paar Fragezeichen. Zum eine ist da ein Knick in der Inselkette. Das jüngere Ende der Kette ist west-nordwestlich ausgerichtet. Das ältere Ende verläuft praktisch schurgerade nach Norden. Der Knick fand etwa vor 43 Millionen Jahren statt. Was damals geschah, wissen wir nicht. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die pazifische Platte plötzlich ihre Bewegungsrichtung gewechselt hat. So ein einschneidendes Ereignis hätte überall um den Pazifik Spuren hinterlassen. Also war der Plume in der fernen Vergangenheit wohl doch nicht so stationär wie er es heute ist. Und es gibt noch eine zweite Entwicklung. Der Plume wird offenbar stärker. Es ist heut möglich, zu berechnen, wie viel Magam der Plume durchschnittlich pro Jahr an die Erdoberfläche gefördert hat. Es ist in den letzten 20 Millionen Jahren immer mehr geworden. Die Inseln wurden grösser, höher und bestanden länger. So viel Magma wie in den beiden letzten Millionen Jahren wurde in der bekannten beinahe 90 Millionen Jahre alten Geschichte der Hawaii-Inseln noch nie gefördert.

Wie eine Hawaii-Insel entsteht

Wir befinden uns in 6000 Meter. Vor uns liegt der jungfräulich Boden des pazifischen Ozeans. Wir sehen den natürlich nicht, denn um uns herum ist es stockdunkel. In den letzten 100'000 JAhren hat sich unser Aufenthaltsort mit der pazifischen Platte in den Bereich des Plume verschoben. Wir sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort. den genau jetzt durchbricht der Plume den Ozeanboden. Wir sehen das rote Magma, das sich auf dem Ozeanboden verteilt. Nach einigen Stunden, Tagen oder Wochen ist der Ausbruch vorbei. Es ist wieder tiefstes Schwarz um uns herum. In den Tiefen des Pazifik aber ist ein kleiner noch unscheinbarer Hügel entstanden. Was wir gesehen haben, wird sich in den nächsten Jahrzehnten und Jahrtausenden regelmässig wiederholen. Der Hügel wird zu einem Berg ja zu einem Gebirge und strebt langsam aber sicher der Oberfläche des Ozeans entgegen. Sie wachsen schnell, die hawaiianischen Vulkane, nicht in menschlichen Zeiträumen aber in geologischen. Nach 300'000 bis 500'000 Jahren durchbricht der Vulkan erstmals die Oberfläche des Ozeans. Es braucht einige Ausbrüche, bis sich die neue Insel stabilisiert hat und nicht gleich wieder Opfer der hohen Wellen des Pazifiks wird. Dieses schnelle Wachstum geht auf Kosten der Stabilität. Ich werde noch darauf zurückkommen. Aber zuerst erfreuen wir uns der neuen, noch vegetationslosen Insel, die vor uns aufgetaucht ist. Die Ausbrüche gehen weiter, die Insel wächst in die Höhe. Vulkane, die nahe beieinander liegen wachsen zu einer Insel zusammen. So besteht die Insel Hawaii aus nicht weniger als fünf Vulkanen.  Ein sechster ist im Westen der Insel bereits wieder im Ozean verschwunden. südlich der Insel wächst bereits ein neuer Heran, der Loihi, der sich wohl einmal mit Hawaii vereinigen wird. Doch zurück zu unserem Vulkan. Der bricht in regelmässigen Abständen aus und lässt die Insel weiter in die Höhe wachsen. Mit den Hawaii-Vulkanen ist es wie mit Eisbergen, der grösste Teil der Masse liegt unter dem Meer. Bei der Insel Hawaii sind es etwa 95%, bei Kauai gar gegen 99%. Ein Grund ist natürlich, dass die Inseln von unten her aufgebaut sind, also eine kegelartige Form aufweisen. Aber es gibt noch einen zweiten Effekt. Die Vulkane haben ein grosses Gewicht. Dieses drückt auf die relativ dünne pazifische Platte. Diese wird durch das schiere Gewicht der Vulkane nach unten gedrückt. Je mehr unser Vulkan in die Höhe wächst, desto mehr sinkt die Insel gleichzeitig in die Tiefe ab. Für den Moment wird aber noch genügend Magma ausgeworfen, so dass die Insel weiter wachsen kann. Während die Insel grösser und grösser wird, wandert sie über den Hotspot immer weiter in westlich-nordwestlicher Richtung. Sie verlässt langsam den Bereich des Hotspots. Die Verbindungen zur Plume werden kleiner. Es tritt weniger Magma an die Oberfläche. Die Insel hört auf zu wachsen sie reicht nun bis in eine Höhe von 4000 Meter. Seit wir den ersten Lichtschimmer in den Tiefen des Ozeans gesehen haben, sind gerade einmal 1,5 Millionen Jahre vergangen.

Wie eine Insel wieder verschwindet

Noch ist der Vulkan nicht gänzlich erloschen. Nach wie vor gibt es kleinere Ausbrüche. Dies kann noch eine geraume Zeit lang dauern. Auf Kauai fand der letzte Ausbruch vor etwa 150'000 Jahren statt, also fünf Millionen Jahre nachdem die Insel den Pazifik durchbrach. In dem Moment indem der Kontakt zum Plume abreisst, kann es tief unter einer Insel noch sehr grosse Magmakammern haben, die sich dann über einen sehr langen Zeitraum weiter entleeren. Aber diese Ausbrüche sind nur noch ein schwacher Abklatsch der grossen Ausbrüche, als die Insel noch wuchs. Und irgendeinmal sind auch diese Ausbrüche vorbei. Das Gewicht der Insel hat dazu geführt, dass die pazifische Platte immer weiter eingedellt wurde. So ist Kauai in den letzen vier Millionen Jahren um gut 1000 Meter in den Pazifik abgesunken. Die alte Küstenlinie liegt also bereits wieder tief im Meer. Woher man das weiss? Nun, die Hangneigung derjenigen Inselteile, die über dem Meeresspiel entstanden ist flacher als diejenige des Teils der Insel, der untermeerisch entstanden ist. Doch auch andere Kräfte setzen der Insel zu. Die Insel ist schnell gewachsen, deshalb ist sie nicht sonderlich stabil. Hinzu kommen RIsse, Spalten und Schwachstellen, die im Laufe der Zeit grösser werden. Es kann zu Rutschungen gigantischen Ausmasses kommen. So fehlt z.B. ein grosser Teil der nördlichen Landmasse der Insel Molokai. Dieser ist vor geraumer Zeit in einem katastrophalen Ereignis in den Pazifik abgerutscht. die Trümmer finden sich dutzende Kilometer vor der heutigen Küste der Insel. Die Rutschung muss einen Tsunami ausgelöst haben, der alles in den Schatten stellt, was wir bisher gesehen haben. Wasser trägt das seine dazu bei, dass die Inseln an Masse verlieren. Regenwasser führt zur kontinuierlichen Erosion der Inseln. Insbesondere im Nordosten, dort wo die Passatwinde auf die Inseln treffen. Es entstehen steile, tiefe V-Täler. Beim grössten Tal auf den Inseln, dem Waimea-Canyon auf Kauai, war aber mehr im Spiel als nur Wasser. Offenbar gab es in der Frühzeit Kauai's eine heftige Rutschung. Nicht einer so katastrophalen wie auf Molokai, aber doch einer solchen, die dazu geführt hat, dass der Westteil der Insel um mehrere hundert Meter absackte. Da sie damals noch in der Wachstumsphase war, haben die nachfliesenden Magmen mit der Zeit den Schaden ausgeglichen. Was aber blieb, war eine ausgeprägte Störung dort, wo die alten Laven von vor der Rutschung auf die neuen Laven treffen. Und genau an dieser Schwachstelle entstand der Waimea Canyon. Nebst dem Wasser hat auch die in der feuchten Umgebung üppig gedeihende Vegetation eine stark errosive Wirkung. Die Wurzeln sprengen das Gestein und lockern den Boden, so dass das Wasser leichtes Spiel hat. Die Insel wird niedriger und irgendeinmal ist sie nicht mehr hoch genug, um die Passartwinde zum abregnen zu bringen. Es wird trockener, die Vegetation geht zurück. Eine andere Gewalt nagt aber weiter unnachgiebig an den Fundamenten der Insel. Es ist der Pazifik selbst. Im Winter treffen auf die Nordwestküste Kauai's regelmässig Wellen mit einer Höhe von acht bis zehn Metern. Sie tragen die Insel weiter an. Und doch, in all diesem Niedergang entsteht etwas Neues: Korallen. Die ersten haben sich angesiedelt kaum war die Insel aus den Fluten des Pazifiks aufgetaucht. Die stetigen Lavaflüsse ins Meer hatten ihr Wachstum behindert. Nun, nachdem die Vulkane erloschen sind, gedeihen die Korallen prächtig in den warmen Wassern des Pazifik. Zwar sinkt die Insel noch immer weiter ab, aber die Korallen können problemlos  Schritt halten. Schlisslich haben Wellen und Regen auch den letzten Überrest der ehemals stolzen Insel abgetragen. Seitdem sie den Ozean durchbrochen hat, sind mehr als zehn Millionen Jahre vergangen. Zurück bleibt ein Atoll, eine runde Struktur von Korallen, die an einigen Stellen einige wenige Meter über den Meeresspiel hinaus ragt. Die Insel wandert über Jahrmillionen weiter in Richtung West-Nordwest. Dabei sinkt die Basis immer weiter ab. Jetzt ist nicht mehr das Gewicht des immer noch beachtlichen Vulkanrumpfs dafür verantwortlich. Hier wurde ein Gleichgewicht erreicht. Der Grund ist ein anderer. Da sich die pazifische Platte unter die Eurasische schiebt, wird das Meer immer tiefer, je näher es den Kurilen kommt. Das ist noch nicht weiter schlimm, denn das Absinken ist ein sehr gemächliches, die Korallen können das problemlos kompensieren. Doch eines Tages ist das vorbei. Die Überreste der Insel sind weit nach Norden gedriftet. Hier ist das Wasser zu kalt für die Korallen. Die wachsen nicht mehr. Das Atoll kann den Wellen nicht mehr standhalten und verschwindet, während der Inselrumpf von der pazifischen Platte immer weiter in die Tiefe gezogen wird.

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